Tagestour nach Krumau (Český Krumlov)

Morgens breche ich aus Budweis auf und mache mich auf den Weg nach Krumau. Die Fahrt dauert je nach Verkehrsmittel und Linie zwischen 25 und 50 Minuten, wobei die schnellen Busse aus der Ferne kommen und daher zum Teil unterwegs schon Verspätung angesammelt haben.

Mantelbrücke, Krumau (Český Krumlov)
Mantelbrücke

Krumau heißt auch Böhmisch Krumau, also Český Krumlov, weil es noch eine mährische Variante gibt, die aber vergleichsweise unbekannt ist. Diese Stadt bildet nach der Burg Karlstein wohl den wichtigsten Grund, warum sich Touristen überhaupt aus dem Prager Zentrum hinaus bewegen. Denn dieses Städtchen ist wirklich extrem malerisch und auch kulturell bedeutsam.

Wenn ich mich sonst auch oft über die schlechte Verkehrsanbindung auf dem tschechischen Land beklage, so erweist sie sich hier als Segen. Die große Welle der Tagestouristen trifft nämlich erst ein, nachdem sie im Prager Hotel gefrühstückt haben und dann in Bussen hierher verfrachtet worden sind, also etwa gegen Mittag.

Krumau (Český Krumlov)

Schloss und Innenstadt

Ich gehe vom Bahnhof Český Krumlov in Richtung Schloss. Hier sieht der Ort aus wie eine gewöhnliche Kleinstadt am Morgen. Eine Rentnerin, die in wetterfester Kleidung und mit Nordic-Walking-Stöcken angereist ist, lehnt aus irgendeinem Grund den Gehweg ab und schreitet laut mit den Stöcken klackend zwischen den Autos entlang.

Obwohl ich relativ früh bin, gibt es hier und dort bereits Touristengruppen. Gerade chinesische Reisende haben offenbar nur ein Ziel: Selfies schießen.

Gut gelaunt sind sie knipsend und posierend zu sehen, reihum darf jeder mal vor der Stadtkulisse stehen, auf jeder Brücke und an allen wichtigen Aussichtspunkten sind sie schon und dirigieren sich laut rufend in die richtige Position.

Fontäne in Krumau
Fontäne im Schlosspark

Im Schlosspark besichtige ich kurz das Freilichttheater, wo die runde Zuschauertribüne zur jeweiligen Kulisse hin gedreht werden kann. Gespielt wird hier einfach in der Natur, aber mit künstlicher Beleuchtung.

Ich bin ohne Frühstück aufgebrochen und suche daher nach einer unkomplizierten Möglichkeit, eine Kleinigkeit zu essen. Schließlich lande ich in einem typischen Lebensmittelladen, und typisch heißt hierzulande, dass er vietnamesisch betrieben wird, aber tschechisch bestückt ist. Um die Rohlíks1 mache ich einen Bogen, obwohl sie morgens noch weich sein müssten. Das Frühstück nehme ich auf einer Bank ein, den Blick auf ein paar riesige Schlauchboote am Ufer gerichtet.

Krumau (Český Krumlov)

Während ich die gewundenen Gassen auf und ab steige, kommt die Sonne heraus. Hier gibt es den Trdelník, der die Weihnachtsstimmung auf den übrigen Rest des Jahres verteilt hat, und Souvenire wie das berüchtigte „Praha Drinking Team“-T-Shirt, das sich auch hier kaufen lässt, da vielen Touristen die Orte eh egal sind. Insgesamt sind die Souvenirläden aber nicht so auffällig wie in Prag und die meisten haben ihre Waren nur im Innern ausgelegt.

Endlich finde ich ein relativ neues Café (Masná 130, was auch die Adresse ist), das angenehm ruhig ist und zudem sehr freundlich. Die Preise bewegen sich eher in den oberen Bereichen, aber die Betriebe hier im Zentrum müssen vermutlich auch eine hohe Miete zahlen. Das moderne Klo im stilvoll beleuchteten Kellergewölbe macht Lust auf mehr, denke ich mir.

Nachdem die Mutter mit ihrem neugierigen Mädchen gegangen ist, kommen drei junge Männer und verteilen sich auf den kleinen Raum. Zwei vertiefen sich sofort in ihr Handy, was bei großen Kerlen immer komisch aussieht, während der Dritte sich ein Buch aus dem Regal geholt hat. Bei der Bedienung bestellt er sich ein ganz kleines bisschen Milch für seinen Espresso – und zwar auf Tschechisch. Es gibt also noch Tschechen unter den Gästen.

Krumau (Český Krumlov)

Ankunft der Busse aus Prag

Am Mittag dann erreicht uns plötzlich die Flut der Touristen, und ich komme mir vor wie ein Ägypter, der Moses seinen vergessenen Schlüsselbund nachbringt und sich plötzlich einem himmlischen Tsunami gegenüber sieht. Eigentlich ist es beeindruckend, wie die Menschen auf einmal unter der Mantelbrücke hervorbrechen und sich auf die Brücke ergießen.

Auf einen Schlag ist hier kein Vorankommen mehr. Vor mir steckt ein Mann mit Fahrrad fest, hinter mir drängt schon jemand weiter. Die Busse haben diesmal offenbar Gäste aus Südasien angebracht, und ich fühle mich an die Metro in Delhi erinnert.

Touristenmassen in Krumau (Český Krumlov)
Der Anfang vom Ende?

Der Kern von Krumau liegt im Innern einer engen Flussschleife, die die Moldau hier beschreibt. Glücklicherweise sind auch viele äußere Bereiche schön genug, um dort die Zeit zu verbringen. Ich mache also einen Abstecher am westlichen und südlichen Ufer entlang. Auf dem Wasser sind zahlreiche Rafter unterwegs, und deutschsprachige Gruppen bilden die lautstarke Mehrheit. Es ist sonnig, jedoch nicht schwül – ideales Wetter eigentlich.

Krumau (Český Krumlov)

Ich passiere einen Park und befinde mich sofort außerhalb des großen Trubels. Es ist immer wieder erstaunlich, wie leicht man zumeist den großen Touristenströmen entkommt, einfach indem man irgendwo eine „magische“ Grenze überschreitet.

Krumau (Český Krumlov)

Südlich des Zentrums

Unter einer Synagoge befindet sich ein kleines Café, das mich von der Einrichtung her in die Zeiten der Ersten Republik zurück versetzt. Ein Stück weiter steht auf steinernen Terrassen und zwischen Blüten ein Häuschen, in dem Egon Schiele vor über hundert Jahren sein Atelier hatte.

Nach Budweis zurück fahre ich im Autobus. Am günstigsten liegt die Haltestelle Špičák, nördlich der Altstadt. Im Bus sitzen offenbar sonst nur Einwohner der umliegenden Orte. Wir haben die oberen Fenster geöffnet und die Vorhänge zugezogen. Alle sind träge von der Hitze. Die Fahrt geht gemächlich über die Dörfer, rund eine dreiviertel Stunde.

Krumau (Český Krumlov)

Krumau ist ein tolles Ziel, aber es braucht ein wenig Planung, um nicht im Gedränge stecken zu bleiben. Trotz der großen Beliebtheit ist die Stadt bislang keineswegs zu einem „Disneyland“ verkommen. Hoffen wir, dass es so bleibt!

Der letzte Teil meiner Südböhmen-Fahrt führte mich nach Hluboká nad Vltavou (Frauenberg).

Einband des Tschechien-Buches

Dieses Thema findet auch Erwähnung in meinem Buch „111 Gründe, Tschechien zu lieben“.

Erhältlich ist es im Buchhandel.

Leseprobe


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  1. Die tschechischen Standardhörnchen.

Christoph Amthor

Erster länger Aufenthalt in Tschechien im Jahr 1997. Seit 2003 wohnhaft zumeist in Prag, mit Abstecher in die Slowakei. Ehemals Journalist und Mitbegründer einer gemeinnützigen Organisation, heute Blogger und Software-Entwickler.

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111 Gründe, Tschechien zu lieben ❤️

Einband des Tschechien-Buches

 

Von einer atemberaubenden Landschaft, über Bier und Knödel bis hin zu Kafka, dem Golem und einem Geist, der eine wissenschaftliche Karriere gemacht hat. Vom Fliegenden Ferdinand  und Pan Tau bis zur Lässigkeit, mit der dort ein Fabrikschornstein gefällt wird.

 

Über dieses Land, das einfach liebenswert, aber oft auch geheimnisvoll und extrem verrückt ist, gibt es wirklich genug zu erzählen. Und natürlich kann man darüber nur mit einer guten Portion böhmischen Humors schreiben.