SAPA: Das „Little Hanoi“ von Prag
Von der Bushaltestelle „Sídliště Písnice“ aus sehe ich bereits den Schriftzug über dem Eingang: SAPA. SAPA gilt als das Little Hanoi von Prag – das klingt nach China Town, nach engen Gassen nahe des Stadtzentrums, einem Gewimmel an Geschäften und Menschen, nach Lärm und fremden Gerüchen.
Hier jedoch sieht es völlig anders aus: Lang gestreckte Zeilen von Geschäften und Hallen, in denen zumeist Kleidung und Plastikprodukte verkauft werden. Weite Flächen zwischen den niedrigen Gebäuden. An der Peripherie herrscht ein reger Autoverkehr vor den Großhändlern. Ich gehe über Parkplätze, wo der Wind den Müll verstreut hat, und an Containern entlang. Es scheint hier keine geplanten Strukturen zu geben, alles ist nach der Dynamik von Angebot und Nachfrage gewachsen.
Die wahre Little Hanoi-Atmosphäre treffe ich schließlich im Zentrum, wo sich auf ein paar Blöcken kleine Läden und Restaurants zusammenballen. Hier komme ich mir immer wieder für Momente wie in Asien vor: Ein Mann belädt seinen mobilen Verkaufswagen. Jemand grillt Fleischstücke in der Passage. Durch große Scheiben kann ich in Blumengeschäfte, Frisiersalons und Garküchen hinein blicken.
Ich habe mich für einen Besuch entschlossen, weil heute das vietnamesische neue Jahr beginnt. Das Jahr des Feuer-Affen, so heißt der rätselhafte Name. Abgesehen von Veranstaltungsplakaten ist aber von Festlichkeiten nichts zu spüren. Vielleicht haben die Frauen und die Blumendekoration am Tempel mit dem Feiertag zu tun. Ich vermute aber, dass man hier ohne die richtigen Kontakte und Sprachkenntnisse ohnehin nur einen winzigen Teil von dem Leben der hiesigen Bevölkerung mitbekommt.
Ein Vietnamesenmarkt für Vietnamesen
SAPA in Prag- ist in Tschechien jedem ein Begriff, der sich irgendwie für die asiatische Küche interessiert. Denn viele exotische Lebensmittel findet man nur hier. SAPA ist mehr als bloß ein etwas größerer Vietnamesenmarkt. Denn die hiesigen Angebote sind ursprünglich von Vietnamesen für Vietnamesen geschaffen worden. Hier werden folglich nicht nur Lebensmittel für den Eigengebrauch und für vietnamesische Gemüseläden angeboten, sondern auch Dienstleistungen – und alles auf Vietnamesisch, versteht sich. Übersetzer, Berater, Anwälte, Geldverleiher und Vermittler spielten eine wichtige Rolle dabei, den Vietnamesen das Leben und den Gelderwerb in der Stadt zu ermöglichen.
Vor vielleicht zehn Jahren war SAPA noch eine der wenigen Adressen, wo man in Prag relativ authentisches asiatisches Essen bekommen konnte. Wer die dickflüssigen Einheitssoßen, die fettigen Frühlingsrollen und die dick panierten Fleischstücke der „chinesischen“ Restaurants satt hatte, dem blieb oft nur der Weg zu SAPA. Mittlerweile hat in Prag jedoch der Phở-Boom eingesetzt, und jeder Stadtteil hat zumindest ein vietnamesisches Restaurant.
SAPA ist wie ein Rhizom, von dem immer ein Stück überlebt. Es hat sich nach verheerenden Bränden aus der Asche erhoben, und es ist immer mal wieder in den Schlagzeilen, wenn der Zoll gefälschte Markenartikel sicherstellt, und das dann gleich in gehörigen Mengen: 400 Tausend Stück Spielzeuge oder 10 Tonnen Bekleidung und Handtaschen.1 Für diese Sorte Produkte kommt der eigentliche Bedarf sicher von der tschechischen Bevölkerung, die entweder direkt hier kaufen, oder in den Geschäften und Märkten der Umgebung. Aber auch Touristen unternehmen in Prag gerne Pilgerfahrten zu den Billigprodukten.

Vietnamesischer Tischtennisverein: Das schön lautmalerische „Bóng bàn“ ist offenbar das vietnamesische Äquivalent zum „Ping Pong“.
Das Angebot der vietnamesischen Dienstleister in SAPA ist beeindruckend: Neben Restaurants, Lebensmittelhändlern und einer Unzahl an Friseuren gibt es hier Ärzte, eine Apotheke, einen Autoverleih, einen Kindergarten, ein Schule, Reklameagenturen, Redaktionen von Zeitschriften, Reiseagenturen, einen Metzger, Spielkasinos und vor allem Großhandelsfirmen für alles, was dann in der Stadt verkauft wird, von Lebensmitteln über Möbel bis hin zu Kleidung und Nippes.
Neben Geschäftstreibenden existieren hier aber auch Vereine und Kultureinrichtungen. Zudem finden hier Konzerte, Hochzeiten und andere Feiern statt. Nach eigenen Angaben kommen täglich sechs bis zehn Tausend Besucher.
- SAPA hat einen eigenen buddhistischen Tempel
- Altar
- Nicht ganz echt: Dekoration zum Neujahrsfest
- Jeder hat sein eigenes Design.
- Einige Betriebe haben sich eindeutig auf europäische Kundschaft eingestellt.
- Neben den vietnamesischen Firmen befinden sich hier auch andere.
- Gibt es nur in Asien. Und in SAPA.
- Friseur und Schneider
- Änderungsschneider, Restaurant und Friseur
- Und schon wieder ein Friseur.
- Lebensmittel
- Wieder Lebensmittel
- Lebensmittel und Schneiderpuppen
- Lebensmittel und Blumen
- Bei Sonnenschein traut man sich hinaus.
- Ein Metzger. Heute geschlossen.
- Kulturgemisch: Ein seltsamer Springbrunnen mit europäischen Straßenlaternen
- Blick durch eine Halle
Natürlich lasse ich mir auch die kulinarische Seite nicht entgehen. Die Entscheidung fällt nicht ganz leicht. Viele Lokale haben geschlossen. Andere sind überfüllt.
- Vietnamesische Pizza? Schmeckt die so wie die tschechische Pizza aus den 90ern?
- Teilweise wird in den Passagen über dem Feuer gegrillt.
- Sah gut aus, aber die Bedienung war völlig desinteressiert und die Gäste gingen wieder.
- Hier wird gekocht! (mit unfreiwilligem Selfie)
- Ein gutes Zeichen: Hier fühlen sich Vietnamesen wohl.
- Kein Asien-Flair ohne „Aircon“

Typisch für vietnamesische Restaurants: Der kleine Altar, der sich immer gegenüber des Eingangs befindet.
Nach einem Fehlschlag in einem Restaurant, wo die Kellnerin geschäftig und offenbar missgelaunt aufräumte, während die Gäste ratlos warteten, fand ich dann nicht weit davon ein Bistro, das einen guten guten Eindruck machte und wo auch die Vietnamesen selbst den Besuch nicht scheuten.
Preise sind übrigens nirgendwo angeschrieben. Wer nicht auf Überraschungen steht, sollte vielleicht vorher fragen. Die Phở hat 100 Kč gekostet. Ich vermute, mir wurde ein runder Preis genannt, weil das einfacher zu rechnen ist. Im Prager Zentrum zahlt man für die selbe Menge und Qualität rund 85-90 Kč, in „schickeren“ Restaurants aber durchaus auch mehr. Ein gewisser SAPA-Besucher-Zuschlag war wohl mit dabei – der Aufpreis dafür, dass man sich das Flugticket nach Vietnam gespart hat.
- Auf den gelben Porsche haben sie es abgesehen!
- Überall auf SAPA: Mit 5 Kronen bist du dabei.
- Hunde und Handgranaten bitte draußen lassen.
Dieses Thema findet auch Erwähnung in meinem Buch „111 Gründe, Tschechien zu lieben“.
Erhältlich ist es im Buchhandel.
Eine Antwort
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