Romanische Rotunden in Prag
Zuweilen treffe ich in Prag auf Kapellen, die wie einstöckige Mini-Türme mit rundem Grundriss aussehen. Sie stehen immer etwas abseits, und oft passen sie nicht so recht in die Umgebung, wie Relikte aus sehr alten Zeiten.
Es handelt sich dabei um Rotunden, die in der Tat zu den ältesten erhaltenen Bauwerken der Stadt gehören. Gerade der schlichte Baustil macht sie für mich interessant, weil ich mich zuweilen vom Übermaß an Barock, Jugendstil und diversen nationalistisch aufgeladenen Stilen etwas übersättigt fühle und einfach etwas Unprätentiöses brauche.
Diese Rotunden sind relativ kleine Gebäude mit einem zylindrischen Schiff von etwa 5 bis 6 m Durchmesser. Sie haben zudem eine bogenförmige Apsis und zumeist ein zentrales Oberlicht. Diese Räume sind für Touristen geschlossen, werden jedoch für regelmäßige Gottesdienste benutzt.1 Zudem bestehen gute Chancen, dass sie in der alljährlichen „Nacht der Kirchen“2 zugänglich gemacht werden.
Martinsrotunde auf dem Vyšehrad
Die älteste Rotunde Prags ist zugleich wohl auch die bekannteste. Kein Wunder, denn sie liegt zentral auf dem Gelände des Vyšehrad, also auf einer der Hauptsehenswürdigkeiten. Dort überragt sie den Weg, der vom Tabor-Tor im Südosten kommt.
Das Gebäude stammt aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts und wurde vermutlich von Vratislav II. errichtet, der seinen Sitz vom Hradschin hierher verlegt hatte. Der Herzog und spätere König von Böhmen konnte auf ein spannendes Leben zurückblicken, dem schon die Entführung seiner Mutter Judith von Schweinfurt zum Zweck ihrer Heirat vorausgegangen war. Seinen Bruder stellte er ruhig, indem er ihn zum Bischof machte.
- Pseudoromanische Elemente ergänzen die ursprüngliche Substanz.
- Die Rotunde ist das älteste erhaltene Baudenkmal auf dieser Burganlage.
Longinus-Rotunde
In der Prager Neustadt, also südlich der Altstadt, findet sich die Longinus-Rotunde. Sie steht in der Straße Na Rybníčku, in der damaligen Ortschaft Rybníček. Das Gebäude stammt aus dem 11. Jahrhundert und war ursprünglich möglicherweise dem Hl. Stephan geweiht, wie die Kirche, die sich gleich in der Nähe an der Štěpánská-Straße befindet.
- Hinter der Rotunde erhebt sich die Stephanskirche
Heiligkreuzrotunde
In der Altstadt, an der Ecke der Straßen Karoliny Světlé und Konvitktská, stößt man auf ein zwischen den Gebäuden ausgespartes Eck, in dem so etwas wie ein niedriger Turm steht, so als verliefe hier mal eine Stadtmauer. Das fast fensterlose Gebäude ist jedoch eine Rotunde, und zwar eine Pfarr- oder Herrenkirche aus dem 12. Jahrhunderts. Im Innern sollen sich Fresken befinden.
So. Das waren jetzt alle Prager Rotunden gewesen – hatte ich lange Zeit gedacht. Es hängt aber davon ab, wie weit man das Prager Stadtgebiet fasst, und das reicht bis in Gebiete hinaus, die eigentlich wie eigenständige Orte funktionieren.
Kirche der Heiligen Maria Magdalena
Die vierte Rotunde befindet sich ein wenig außerhalb in einer eingemeindeten Ortschaft namens Přední Kopanina, jenseits der Diková Šárka. Der Ort ist gut per Bus zu erreichen, zwei Linien (161, 312) brauchen von der Metro-Station Bořislavka etwa 15 Minuten. Alle paar Minuten werde ich von einem startenden Flugzeug aus den Mittelalter-Impressionen gerissen. Kein Wunder, dass der Flughafen als Sponsor des Museums und der Kirche auftritt. Hier hatte wohl jemand ein schlechtes Gewissen.
- Das Grundstück ist frei zugänglich
- Alle paar Minuten zeigt sich ein Flugzeug.

Ursprünglicher Grundriss der Rotunde (Quelle: Wikipedia)
Diese Rotunde wurde in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtet und hat ein zylindrisches Schiff mit einem Durchmesser von 5,3 m. Sie war zunächst eine Pfarrkirche – die Pfarrei ist seit dem 14. Jahrhundert belegt.
Der Anblick ist völlig anders als bei den übrigen Rotunden, vor allem da das Gebäude gerade mit dem Turm ein gutes Stück größer ist. Vom typischen Oberlicht ist zumindest heute nichts mehr zu bemerken.