Prager Passagen: bezaubernd, kurios, und viel Theater
Einige der schönsten Wege Prags sind gar nicht so leicht zu finden, denn sie verlaufen nicht unter freiem Himmel. Die Rede ist von den Passagen. Manchmal sind sie gut erkennbar durch ein reichhaltiges Portal, und oft sogar verziert mit dem Namen. In anderen Fällen jedoch sind sie kaum von gewöhnlichen Hauseingängen zu unterscheiden.

Die Lage der unten beschriebenen Passagen. Größere Karte öffnen. (Karte von Openstreetmap)
Die Prager Passagen gehören für mich mit zu dem Faszinierendsten, was die Stadt zu bieten hat. Sie sind oft verwinkelt und bieten im Innern mehrere Ebenen, und beim ersten Besuch bin ich oft überrascht, an welcher Ecke sie mich wieder auf die Straße lassen. Einige Exemplare sind wahre Schmuckstücke, während andere verkommen und schmuddelig wirken.
Doch, zunächst einmal: Was ist eine Passage? Ich habe mich hier an keine strikten Definitionen gehalten. Ein bloßer, etwas längerer Eingang in ein Geschäft ist für mich noch keine Passage. Umgekehrt habe ich Durchgänge hinzugenommen, die nicht diese typische Kombination aus Gastronomie und Geschäften aufweist. Die Auswahl ist natürlich sehr selektiv. Ein paar Passagen waren für meinen Geschmack einfach zu uninteressant.
Unter den Passagen finden sich auch ein paar Kuriositäten. Und bei meinen Erkundungsgängen habe ich erstaunt feststellen können, dass es in Prag kaum eine bedeutende Passage gibt, in der sich nicht auch ein Theater, oder zumindest ein Kino befindet.
Die Prager Passagen häufen sich um den Graben (Na Příkopě), am Wenzelsplatz (Václavské náměstí) und dann in Richtung Národní třída und Karlsplatz (Karlovo náměstí). Ein paar kleinere finden sich auch beim „Kulaťák“, also am Kreisverkehr des Vítězné náměstí in Dejvice und an anderen Orten. Wer sich aber auf die sehr lohnende Besichtigungstour machen will, dem empfehle ich den Graben, die Umrundung des Wenzelsplatzes, und dann den Weg über den Jungmanovo náměstí zur Národní třída.
Altstadt und Josefstadt
Passagen in der Altstadt
In der Altstadt um den Altstädter Ring und in Richtung Karlsbrücke gibt es ein paar Durchgänge, die den verwinkelten Eindruck der Gassen noch verstärken. Allerdings ist hier die Menge der Touristen oft immens, und wer diese Gassen bei Tageslicht ohne Passanten fotografieren will, der sollte sich einen Tag bei klirrender Kälte suchen.
Vielerorts empfinde ich die Beschilderung der Touristen-Shops als sehr aufdringlich und im völligen Widerspruch zur historischen Umgebung. Aber das ist ein allgemeines Problem vieler Passagen.
Palác Dlouhá, die Luxuspassage
Und hier haben wir bereits das erste Theater, um das herum sich eine Passage entfaltet. Vom Boden bis zum Deckenlicht steht alles im Einklang. Darüber hinaus finden sich hier auch interessante und offenbar sehr beliebte Läden.
In den oberen Stockwerken befinden sich Luxuswohnungen.
- Eingang von der Dlouhá Straße
- Von der Hradební Straße
Florenc
Florentinum: Hinab in den Untergrund
Das Florentinum ist eine interessante Kombination aus völlig verschiedenen Bestandteilen: Ein kleiner Park dient vor allem den Angestellten der umliegenden Firmen als Ort der Ruhe für die Mittagspause. Über eine flache, breite Treppe gelangt man hinab in eine Art Einkaufsstraße, die nicht weiter bemerkenswert wäre, fänden sich nicht beim Ausgang zur Haltestelle Bílá labuť unter der Decke diese massiven Konstruktionselemente, so als wäre sich hier eine große Brücke.
- „Desfourská zahrada“ im großen Innenhof
- Hier geht es hinab ins Florentinum.
- Der Ausgang zur Straße Na Poříčí
Eine weitere Theaterpassage: Divadlo Archa
Gleich neben dem Florentinum gelangt man in eine Passage, in der das Theater Archa residiert.
- Von der Straße Na Poříčí
- Apollinaire ist heute nicht in Form.
- Durchgang zur Gegenseite
Am Graben
Der Charme einer Schalterhalle
Die Passage bei der Nationalbank entspricht ganz den Erwartungen: Repräsentativ, kühl, technisch. Das Bodenmuster erinnert an eine Leichtathletikanlage. Der Sprint führt direkt auf den Eingang zu.
Irgendwo hier könnte sich ein längst vergessener Durchgang zu den Tresoren befinden, wo die tschechischen Währungshüter ihre Euros horten …
- Detail am Gewölbe
Černá růže
Die „Schwarze Rose“ könnte als normales Kaufhaus gelten, wären da nicht hier und dort architektonische Details, die auf das besondere Gebäude verweisen. Schön ist vor allem die gewölbte Decke.
Passagen am Wenzelsplatz
Der Blick zur Decke im Palác Fénix
Der Palác Fénix ist ein großes Gebäude in funktionalistischem Stil, das vor allem durch die damals innovative Konstruktion des Kinosaals bekannt geworden ist. Wo früher das Kino Blaník war, befindet sich heute ein Theater. Vor dessen Eingang hängt eine Kuriosität über unseren Köpfen: Eine Decken-Uhr!
- Der Zugang vom Wenzelsplatz
- Erste Halle mit schönen Geschäften.
- Deckenbeleuchtung
- Die Uhr im niedrigeren hinteren Durchgang.
Štěpánská pasáž – ein Fluchtweg?
Diese Passage wirkt heruntergekommen, obwohl sie bestimmt schon bessere Tage gesehen hat. Die Anlage hätte eigentlich mehr Potential, aber die Umgebung lässt es wohl nicht zu. Hier hat das Milieu des Wenzelsplatzes aus den 90ern überlebt.
Bemerkenswert ist die alte Tür im unteren Bereich.
- Ve Smečkách: Der Eingang ist verborgen zwischen zwielichtigen Clubs
- Es wirkt so, als würde hier bald dichtgemacht.
- Eine geheimnisvolle Tür: Hier gab es schon früher einen Durchgang.
Lucerna und Rokoko
Die Lucerna, also „Laterne“, ist wohl das Vorzeigestück der Prager Passagen. Bekannt ist sie nicht nur durch ihre aufwändige Jugendstilausstattung, sondern auch deshalb, weil der Großvater des früheren Präsidenten Václav Havel daran mitgewirkt hatte.
Das Gebäude sollte ursprünglich als Eishockey-Stadion dienen, aber diese Pläne wurden glücklicherweise fallengelassen.
Zu einem Markenzeichen der Passage ist die Skulptur von David Černý geworden: Der Heilige Wenzel reitet dort auf einem umgedrehten Pferd. Die Originalstatue befindet sich draußen unterhalb des Nationalmuseums.
Sehenswert ist neben der Haupthalle auch das Café im ersten Stock.
- Der Eingang in der Štěpánská ist nicht zu übersehen.
- Überladen und eigentlich nicht mehr schön.
- Aufgang zum Café, Kino und Saal
- Blick in den Saal
- Erinnert mich an Harry Potters „Schloss Hogwarts“.
Vom Wenzelsplatz aus gelangt man in die Lucerna-Passage durch einen Seitenarm – der Rokoko-Passage.
- Rokoko Passage
U Nováků
Durch einen Seitengang kommt man von der Lucerna-Passage in die weitläufige Passage U Nováků, die aus mehreren Hallen und Eingängen besteht. Anders als nebenan herrscht hier eine Atmosphäre der Ruhe und Sachlichkeit.
- Übergang von der Lucerna-Passage
Alfa und Světozor
Alfa und Světozor sind eigentlich zwei verschiedene Passagen, die am Tor zum Franziskanergarten (Františkánská zahrada) aufeinander treffen. Beide Passagen bestehen im wesentlichen aus einer überkuppelten Halle. Im Fall von Světozor kann man auf die erste Etage hinauf gehen.
- Palác Alfa, rechts hinten war der Eingang zum Kino.
- Eingang zum Franziskanergarten
- Světozor
- Obergeschoss
Die Passage durch die Poliklinik
Diese Passage hat keinen eigentlichen Namen. Sie befindet sich zwischen dem Franziskanergarten, der Palackého Straße und der Vodičkova. Von der Vodičkova kommend gelange ich zunächst durch das Atrium eines modernen Einkaufszentrums, „Myšák Gallery“. Nach hinten hinaus mündet es in einen langen Gang, von dem aus ich schließlich nach links abbiege.
Im nächsten Gang befallen mich Zweifel, ob ich nicht vom Weg abgekommen bin. Die Umgebung erinnert an ein etwas altmodisch anmutendes Krankenhaus. Und, in der Tat: Der ganz offizielle Weg führt durch eine Poliklinik. Zu den Seiten befinden sich die Räume für die Blutentnahme, im Obergeschoss die Fachärzte. Verrückter hätte man es nicht träumen können.
- Durch das Atrium …
- Hier geht es wieder in den Franziskanergarten, der durch vier Passagen erreichbar ist.
- Und … nanu? Bin ich hier richtig?
- In dieser Klinik ist das Abstellen fremder Fahrzeuge verboten. Das besagt zumindest das Schild.
Nova Passage
Diese Passage verbindet den Wenzelsplatz mit dem Graben. Von dessen Seite aus führt der Weg zunächst durch eine Reihe von Höfen. Der ganze Komplex hat eine Aura von etwas zwielichtigem Glamour und wirkt in weiten Zügen völlig verlassen und aufgegeben. An einigen Stellen befürchtet man, gleich in dem dort ansässigen Casino zu landen, aber immer findet sich noch ein Weg daran vorbei.
- Na Příkopě: Zunächst durchquert man ein paar Höfe.
- „Nova Passage“ – diesem Schriftzug zufolge.
- Hier war schon einmal mehr los gewesen.
- Ostblockvergnügungsnostalgie
- Hier sagen Fuchs und Hase offenbar auch leichtbekleideten Mädchen gute Nacht.
- Wenzelsplatz: Das Casino dominiert auch hier.
Eingang zwischen Kleiderständern (Jindřišká pasáž)
„Der Karte nach müsste hier die Passage beginnen“, denke ich, als ich auf dem Wenzelsplatz vor dem Modehaus Van Graaf stehe. Wie sich kurz später herausstellt, führt der Weg an den Rolltreppen vorüber und zwischen den Kleiderständer hindurch. An der rückwärtigen Seite muss man an einem Wachmann vorbei, und gelangt dann in die eigentliche Passage.
Die Passage der Tschechische Presseagentur (Pasáž ČTK), oder Jalta
Gleich einen Block weiter und ganz ähnlich ums Eck angelegt, aber etwas lebendiger, verläuft die ČTK-Passage, früher Pasáž Jalta oder Pasáž Jiřího Grossmana. Es ist eine Passage zum schnellen Hindurcheilen, gezeichnet von ein paar knalligem Läden und sonst viel Leere. Zur Opletalova-Straße hin findet sich ein Stück mit kaskadenartigen Stufen, was einen interessanten optischen Effekt erzeugt, wenn einem Entgegenkommende kleiner oder größer erscheinen.
- Eingang vom Wenzelsplatz
- an der Opletalova
Um die Národní třída
Und noch eine Bankenpassage: Palác Adria
Am Jungmanovo náměstí sieht man einen repräsentativen Eingang, hinter dem sich die Adria-Passage befindet. Der Name bezieht sich auf die italienische Versicherungsgesellschaft „Riunione Adriatica di Sicurtà“. Der Baustil nennt sich Rondokubismus2, und offenbar handelt es sich dabei um eine tschechoslowakische Besonderheit. Zur Straße Národní třída hin befindet sich im ersten Stock ein Café mit Terrasse.
- Eingang von der Jungmannova
- Aufgang zum Café
Im Labyrinth durch Hinterhöfe
Dies ist eine seltsame Passage, die man erlebt haben muss. An beiden Enden ist sie völlig unauffällig: ein städtischer Geheimgang! Von der Opatovická aus betrete ich eine Art Garage. Es geht durch ein paar Flure, über Höfe, ich passiere ein Café und eine Fachoberschule, bis ich auf der Spálená aus einer Art türlosem Hauseingang herauskomme.
Dieser Durchgang ist keineswegs ein Geheimtipp, es begegnen mir hier unentwegt andere Passanten.
- Eine Ecke in der Opatovická
- ein Hausflur?
- Café im Hinterhof mit französischem Flair
- Wieder in einen „Hausflur“
- Pawlatschen – eines der wenigen tschechischen Lehnwörter
- … und mitten in das Treiben auf der Spálená.
Pasáž V. Buriana
Diese Passage habe ich aus den 90ern in besserer Erinnerung. Heute wirkt sie dunkel und zugig. Dennoch hat sie noch etwas Altehrwürdiges, da sich hier im Untergeschoss das Theater Komedie befindet, mit einem Café im Innenraum.
Karlsplatz
Auf ein Törtchen in die Václavská pasáž
Ja, auch der Karlsplatz hat seine Passage. Sie ist eher einfach gehalten, die gerade Verbindung zwischen zwei Punkten, aber sie brilliert mit einer kleinen Halle, in der sich eine Konditorei befindet.
Konditoreien bilden das Rückgrat tschechischer Rentnerleben. Die Kronen, die durch geschickte Käufe am anderen Ende der Stadt angespart wurden, werden freudig in die nächste „Cukrárna“ getragen, wo das Geld gegen Lebensfreude eingetauscht wird.
Dieses Thema findet auch Erwähnung in meinem Buch „111 Gründe, Tschechien zu lieben“.
Erhältlich ist es im Buchhandel.