Prag im Herbst: Bulovka und Libeň
Eben war das Laub noch rot und gelb gewesen, aber der frühe Nachtfrost hat seine Spuren hinterlassen und die Blätter sind nun trocken und braun. Ein Herbstspaziergang lohnt sich aber dennoch, zumal die Stadt bis in die späten Morgenstunden hinein in einen Schleier aus Dunst gehüllt ist. Oft sieht man sogar dichte Wolkenballen über der Moldau schweben, ein wunderschöner Anblick gerade in der Morgensonne.
Ich beginne meinen Spaziergang in Bulovka, oberhalb von Libeň im Nordosten Prags, außerhalb der Flussschleife. Am einfachsten kommt man mit der Straßenbahn: Die Haltestelle heißt ebenfalls „Bulovka“.
Von hier aus gen Westen gehend trifft man auf das bekannte Krankenhaus „Na Bulovce“1, wo 1997 der bedeutende tschechische Schriftsteller Bohumil Hrabal durch einen Sturz aus dem fünften Stock ums Leben kam. Bis heute ist unklar, ob es sich dabei um einen Unfall oder um Selbstmord gehandelt hat.
- Krankenhaus „Na Bulovce“
- Blick über das Krankenhaus auf Prag. Deutlich zu sehen ist der Fernsehturm.
- Seitenflügel der Lungenklinik
Vom Krankenhaus in Bulovka ist es nicht weit zu dem Ort, wo am 4.6.1942 von tschechischen Untergrundkämpfern das Attentat auf den Reichsprotektor Reinhard Heydrich verübt wurde. Das Attentat gelang zwar, hatte aber letztendlich die Verhängung des Standrechts und äußerst brutale Rachemaßnahmen zur Folge, dem etwa das Dorf Lidice zum Opfer fiel. Das Denkmal steht – völlig unbeeindruckt von Verkehrsplanern eingeinselt – an der Kreuzung der Straßen Zenklova und V Holešovičkách.
Die beiden Attentäter Jozef Gabčík und Jan Kubiš bezahlten für die Tat mit ihrem Leben und werden in Tschechien heute als Nationalhelden verehrt. Eine Gedenktafel findet sich auch an dem Ort ihres Todes, an der Kirche St. Cyrill und Method (damals Karl-Borromäus-Kirche).
Zurück in die Gegenwart: Von der anderen Seite des Krankenhauses ist es nicht weit zum Aussichtspunkt über dem „Weißen Felsen“, zu dem man gelangt, indem man südlich des Krankenhauses am Friedhof entlang nach Westen geht.
Das kleine umzäunte Stück befindet sich oberhalb der Felsen, die fast direkt über dem Fluss empor steigen. Von dort bietet sich ein herrlicher Ausblick über Holešovice hinweg auf Prag. Es wundert mich, dass dieser Ort kaum irgendwo Erwähnung findet.
- Zwischen Beachvolleyball und Friedhof
- Aussichtspunkt „Weißer Felsen“
- Unten verläuft die Bahnstrecke vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Holešovice
Von Bulovka gehe ich durch den abschüssigen Park „Pod Korábem“ eine lange Treppe hinab ins eigentliche, beim Fluss gelegene Libeň.
- Park „Pod Korábem“
- Mehr als einmal finde ich Reste einer Polizeiabsperrung.
Hinter der Bahnstrecke treffe ich auf ein großes, repräsentatives Gebäude – die „Grabova Vila“, benannt nach der Firma „M. Grab Söhne“ vom dem Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Villa macht sich besonders gut im herbstlichen Laub des kleinen Parks Košinka, der sie umgibt.2
- Villa von M. Grab Söhne
- Der Gärtner wird sich freuen.
- Der Park Košinka ist nur werktags von 8-18 Uhr geöffnet.
Von der Villa gehe ich ein paar Schritte ins Zentrum des Stadtteils Libeňs, wo Hrabal lange gelebt und gewirkt hatte. Diese Gegend ist mir noch gut von meinem Spaziergang entlang der Rokytka bekannt, die nicht weit von hier in die Moldau mündet. Seit man darauf gekommen ist, wie man in hochwassergefährdeten Flusslagen Häuser auf Betonwannen baut, schießen hier Wohnungen und Büros aus dem Boden.
- Die hölzerne Jugendstilkirche des Hl. Vojtěch aus dem Jahr 1904/5.
- Neubauten an der Moldau