Open House in Prag
In den letzten Jahren haben sich zunehmend Veranstaltungen etabliert, die an einem Tag oder Abend einen bestimmten Bereich dem Publikum öffnen. Es gibt Museumsnächte und Tage der offenen Kirchen, Synagogen oder Moscheen, an manchen Orten öffnen Privatpersonen ihre Gärten, und schließlich werden auch Verwaltungs- und Bürogebäude, an denen man täglich vorüber geht, für Besichtigungen freigegeben.
So fand letztes Wochenende wieder Open House in Prag statt, und für mich war es oft die erste Gelegenheit, Bauwerke von innen zu sehen, deren Entstehen ich über Monate hinweg von außen hatte betrachten können.
Open House ist ein internationales Konzept, dessen Lizenz gegen Auflagen an lokale Veranstalter vergeben wird. In Tschechien wird es neben Prag auch in Brünn veranstaltet. Der deutschsprachige Raum jedoch bleibt auf Österreich und die Schweiz beschränkt: Wien, Zürich und Basel. Natürlich gibt es auch den Tag des offenen Denkmals, aber nicht jedes architektonisch oder städtebaulich interessante Gebäude ist zugleich auch ein Denkmal.
Ich habe mir drei Objekte angesehen – weit weniger, als ich vorgehabt hatte. Gerade bei dem sonnigen Wetter war der Andrang jedoch so groß, dass wir bereits vor den Gebäuden in Gruppen organisiert wurden, die dann eine nach der anderen nach einiger Wartezeit hinein gelassen wurden.
1. Das Hausboot

Vom Kai aus betrachtet wirkt es ein wenig wie flacher Behälter, der von einem Industriebetrieb fortgetragen und hier angespült worden ist. Wäre da nicht die Tür.
Bei diesem Haus gibt es ganz klar drei Vorderseiten und eine rückwärtige Wand zum Festland hin. Die Liebe zum Wasser hätte nicht deutlicher ausgedrückt werden können.
Fensterseite Hauptraum mit großen Fenstern Hauptraum mit der fensterlosen Wand Klimaanlage Arbeitsplatz Arbeitsplatz Küche mit gekrümmtem Boden – Wer machte heute den Abwasch? Blick aus dem Badezimmer Dusche mit Blick durch das große Fenster. Schlafzimmer Schlafzimmer Hausboottoilette Wenn auch überall an Platz gespart wurde, ein zweites Klo musste sein. Taco An Besuchern herrschte kein Mangel. Sehr massiv: nicht mehr so neue Neubauten
Im Gegensatz zu einem Wohnanhänger sind die Räume von Port X sehr viel heller. An einem ungünstigen Standort käme ich mir allerdings vor wie in einem Schaufenster.
Das Boot hat übrigens keinen eigenen Antrieb, kann aber mit der passenden Ausrüstung Strom erzeugen und Regenwasser sammeln. Ein wenig erinnerte es mich darin an die slowakische Ecocapsule, dem High-Tech-Ei zum allmorgendlichen Ausschlüpfen.
2. Die Modernisierung
Von dieser früheren Mühle hat man nur noch die Mauern und das Gebälk stehen gelassen. Im Innern befinden sich jetzt die hochmodernen Büros von HBO und Etnetera, in denen zum Teil Fotografieren verboten war. Ohne Zugangskarte kommt man weder in ein Stockwerk hinauf noch in eine der Firmen hinein. Diese strikte Trennung in Innen und Außen bildete für mich einen starken Kontrast zu der Veranstaltung, die schließlich im Zeichen der Offenheit stand. Aber auch hier hat die Ausnahme wohl doch nur die Regel bestätigt.
Außenansicht Café-Atmosphäre Hier kann man wohl auch mit Laptop und Kaffee arbeiten. Rezeption mit betont informellem Flair Manchmal erinnert es fast schon an Kinderzimmer. Büro mit viel Licht – manchmal zu viel Sitzungsraum halbdurchsichtig Koje zum Ausruhen von der Arbeit am Bildschirm Erinnerungen an die Sauna „Hilfe!!“
Großraumbüros sind passé. Man arbeitet heute in kleinen Einheiten und zerstreut sich in einer der unzähligen Sitzecken, Kojen, Liegezonen, an der Theke oder beim Kicker. Und vorbei sind die Zeiten, wo es einen zentralen Wasserspender gab.
Im Konzept soll Feng Shui stecken. Innenarchitektur zum Anklicken. Das Aquarium jedoch könnte wohl eine Hand ohne Datenhandschuh gebrauchen, die das Wasser nicht scheut.
3. Der Neubau
Wenn ein Hersteller von Baumaterialien selbst baut, dann baut er sich ein Musterhaus, wo er von den Dämmstoffen bis hin zu den Fenstern seine Produkte präsentieren kann. Das Haus sammelt oben das Regenwasser und steht mit den Füßen schon fast in der Moldau, jedenfalls bei Hochwasser.
Mit dem schrägen Dach das besuchte Gebäude. Über Ästhetik lässt sich streiten. Dachterrassen Der Efeu ist (bislang) nicht echt. Sitzecke, aber nicht unauffindbar. Ein bisschen unter sich, aber dann doch wieder im Panopticon. Radständer und nebenan Duschen Hochwasserschutzwände Je nach Himmelsrichtung wurden verschiedene Scheiben verwendet. Zwischen Gebäuden und Wasser soll noch eine Reihe – vermutlich sehr schlanker – Bäume stehen. Jedenfalls laut Computer. Für meinen Geschmack zu dicht bebaut. Auf dem Nachbargrundstück
An dem Gebäude ist absolut nichts Historisches zu finden. Alles ist modern und frei in die Luft hinein geplant, von den gelben Trägern bis hin zur schrägen Dachfläche mit den Terrassen. Das Raumklima ist angenehm und die gepriesene Schalldämpfung hat sicher viel für sich.
Ich finde die Lage an den früheren Hafenbecken reizvoll … das heißt, sie hätte ihren Reiz haben können, aber hier hat wohl der Investor den Architekten überstimmt: Für meine Begriffe stehen die Wohn- und Firmengebäude zu eng. Da mögen die Wohnungen noch so luxuriös sein, und täglich auf die Yacht der reichen Nachbarn hinab blicken zu dürfen vermag dann doch nicht wettzumachen, was hier an Raum verloren ging.
Auf der westlichen Seite des Beckens kommt man gar nicht mehr ans Wasser heran, wenn man nicht in einem der neuen Wohnblöcke lebt. Weiter östlich soll man später noch als normaler Passant hin dürfen, aber vielleicht auch hier nur auf einem engen Streifen an der Wand entlang.
Wieder daheim
Es waren interessante Besichtigungen und Führungen, und den T-Shirts nach zu urteilen waren hier vor allem Freiwillige tätig, die an zwei Tagen alle Hände voll zu tun hatten. Vielen Dank!
Wenn ich an die alten Redaktionsräume, die Büros gemeinnütziger Organisationen und meinen Schreibtisch daheim denke, dann stellen diese hochmodernen und bis in Details ausgeklügelten Büros doch andere Welten dar, von denen ich sonst nicht viel mitbekomme.
Und dass ein Hausboot auch anders aussehen kann als ein bunt gestrichener Kahn, mit dem man durch enge Kanäle die Lande durchreist, ist ein ebenso neuer Einblick. Wovon man dann lieber träumt, bleibt ja jedem überlassen.