Die Kampa – ein Stückchen Venedig in Prag

Moldau mit Karlsbrücke

Die Moldau mit der Karlsbrücke

Der gängige Vergleich der Prager Moldauinsel Kampa mit Venedig mag ein wenig übertrieben erscheinen, gibt es hier doch lediglich einen einzigen Kanal: Čertovka, oder Teufelsbach. In dessem Wasser kreuzen zwar ein paar touristische Boote, aber keine Gondeln. Und auch die Bezeichnung als Insel weckt vielleicht falsche Erwartungen.

Unzweifelhaft ist zumindest, dass die Gassen und Häuser hier eine ganz eigene Atmosphäre ausstrahlen, die vielleicht am ehesten mit der Neuweltgasse jenseits der Burg zu vergleichen ist. Diese Insel, will man sie denn als eine solche gelten lassen, ist kompakt und sehr überschaubar. Sie grenzt direkt an die Karlsbrücke und liegt zudem nahe solcher Touristenmagnete wie der John-Lennon-Mauer oder dem engsten Gässchen Prags.

Allein auf einer Insel? Nicht hier.

Čertovka (Teufelsbach) in Prag, Kampa

Auf der Kampa finden sich zahlreiche malerische Winkel: Häuser, Brücken, Wasser.

Am Moldauufer schießt ein Fotograf Bilder von einem Jogger, der dafür immer wieder vor dem Objektiv hin und her laufen muss. Ein Stück weiter machen Pärchen Fotos von sich selbst am Kai. Morgens sind hier vor allem Einzelreisende und kleine Grüppchen zu finden.

Am Fuß der Karlsbrücke habe ich für geraume Zeit das Ufer ganz für mich.

 

Klein-Venedig, Stadtteil Kampa

Eine Ahnung vom Prager Venedig habe ich eigentlich nur unter den westlichen Bögen der Karlsbrücke. Der Zugang zur Kampa-Insel verläuft über eine niedrigere Brücke und liegt seltsam schräg unter diesem alten Bauwerk, so als hätten sich die Brückenbauer nicht einig werden können.

An allen Metallgeländern, -streben und -ornamenten wuchern die bunten Schlösser der Verliebten. Die Natur dagegen ist noch nicht erwacht. Einige Stellen wie der Stadtplatz „Na Kampě“ und der Čertovka-Kanal werden später noch sehr an Reiz gewinnen, wenn erst die Knospen treiben. Im Sommer ist zudem der Park voller Besucher, die hier Picknick machen, dösen oder in Gruppen Tai Chi üben.

Der Trdelník ist eine typische Spezialität auf hiesigen Weihnachtsmärkten. Und er verkauft sich auch noch gut im Frühjahr. Dieser Ostermarkt kann mit den selben Ständen auch als Weihnachts- oder Handwerkermarkt gelten. Es ist nur eine Frage der Dekoration.

 

Die Kleinseite

Auf mehreren Brücken über die Čertovka kann ich immer wieder die Kampa-Insel verlassen und mir die nahen Gassen der Kleinseite ansehen. Überall finden sich Vorhängeschlösser, die in der Frühlingssonne passend wie bunte Ostereier leuchten.

Schlösser von Verliebten, Kampa

Ein Schlosserlehrling hatte mir mal erzählt, dass solche Brücken ideal seien, um das Öffnen von Schlössern zu üben. Nirgendwo sonst gäbe es so viel „Material“. Die Zahl der Schlösser an den Brücken und Geländern ist wirklich beeindruckend.

Lennon-Mauer, Prag

Vor der so genannten John-Lennon-Mauer tummeln sich unzählige Touristen. Diese Mauer war noch während der Zeit des Eisernen Vorhangs als inoffizielle „Klagemauer“ benutzt worden, um dort regimekritische Botschaften zu hinterlassen. Irgendwann fand sich dort auch das Porträt von John Lennon, was der Mauer ihren Namen gab.

Die Mauer gehört eigentlich dem Malteserorden, der diese Bemalung jedoch toleriert. Von den ursprünglichen Botschaften ist nichts mehr zu finden. Die Fläche ist sogar mal von Kunststudenten komplett weiß übermalt worden. Das mit dem „Jeder ist ein Künstler“ ist ihnen dann wohl doch zu weit gegangen. Aus ihrem „WALL IS OVER“ machten sie später dann „WAR IS OVER“.

Nur ein paar Ecken hinter Lennons farbenfroher Mauer stehen zwei Stühle an einem Tischchen. Es handelt sich um ein internationales Kunstprojekt, das einen Ort für eine demokratische Debatte symbolisieren oder bieten soll.

 

„Wahrheit und Liebe müssen über Lügen und Hass siegen.“ Dieses hoffnungsvolle Motto ist sicherlich zeitlos.

 

Museum Kampa und der Park

In einem früheren Mühlengebäude hat nach einer aufwändigen Renovierung ein Museum für moderne Kunst die Tore geöffnet, das Museum Kampa. Hier werden Werke von namhaften tschechischen Künstlern ausgestellt. Interessierte sollten es auf keinen Fall auslassen, da es überregionale Bedeutung hat. Zugleich bietet es aber auch einen Einblick in die hiesige Szene, einschließlich der vielen Künstler, die in die Emigration gezwungen wurden.

Der Kanal, der hier den Park umfließt, lieferte früher die Antriebskraft für Mühlen. An seinem Lauf finden sich heute immer noch Mühlräder. Dasjenige beim Mühlencafé dreht sich gemächlich und kraftvoll. Immer wieder stehen hier Passanten, um dem Wasser zuzuhören und das Rad zu betrachten.

Mühle am Čertovka (Teufelsbach) in Prag, Kampa

Nach dem morgendlichen Rundgang und dem Besuch im Museum öffnet passend um 12 das Café, wo es sehr freundlich und überhaupt nicht touristisch zugeht.

 

Im wärmenden Sonnenschein treffen immer mehr Gruppen an Touristen ein. Manche ziehen sich in langen Prozessionen hinter den Führern her, die mit einem Fähnchen oder Schirm voraus gehen. Es ist Zeit für die Selbstevakuierung.

 

Erreichbarkeit

  • Über die Karlsbrücke zur Kleinseite (am westlichen Ufer) kommend noch vor dem Brückenturm die Treppe hinunter gehen.
  • Straßenbahnhaltestellen „Malostranské náměstí“ oder „Hellichova“, und dann 5 Minuten zu Fuß.
  • Von der Brücke „Most Legií“, die vom Nationaltheater kommt, und dann nordwärts.

Empfohlene Zeiten

Die Kampa ist natürlich immer zugänglich, allerdings ist die Zahl der Besucher morgens merklich geringer als im späteren Verlauf des Tages. Einige der Cafés und Lokale öffnen aber erst am Mittag oder Nachmittag.

Gastronomie

Rund um die Kampa gibt es viel touristisch ausgerichtete Verpflegung, also Gulasch, Fritten und Absinth, oder auch Speisen auf gehobenem Niveau. Zwei Cafés sind mir bekannt, die preislich und vom Ambiente her von Reisegruppen und Nouvelle Cuisine verschont geblieben sind und wo sich sogar viele tschechische Gäste finden.

Einige der Biergärten am Teufelsbach sind zudem schön gelegen.

 

Mlýnská kavárna (Mühlencafé)

Mühlencafé am Čertovka (Teufelsbach) in Prag, KampaDen Eingang erreicht man über einen Steg neben dem Mühlrad. In dem weiten Raum, in dem auch Gemälde hängen, bekommt man Kaffee, Bier und Speisen. Für den Sommer gibt es eine Gartenterrasse.

Dieses Café öffnet täglich um 12 Uhr mittags.

Caffee Botega

Caffee Botega

Das Caffee Botega. Im Sommer kann man auch auf der Gasse sitzen.

Dieses Café befindet sich in der engen Gasse Jiřího Červeného, also vom Marktplatz Na Kampě aus in dem Spalt zwischen den Häusern. Das Botega ist immer noch wie in den 90er Jahren eine Kombination aus Café und Wäscherei (also keine Münzwaschmaschinen).

Ob die Atmosphäre neben der Wäschemangel immer noch so unverwechselbar ist, konnte ich leider nicht feststellen, da aufgrund der Feiertage geschlossen war.

Ansonsten hat das Botega werktags von 16-22 Uhr geöffnet.

Christoph Amthor

Erster länger Aufenthalt in Tschechien im Jahr 1997. Seit 2003 wohnhaft zumeist in Prag, mit Abstecher in die Slowakei. Ehemals Journalist und Mitbegründer einer gemeinnützigen Organisation, heute Blogger und Software-Entwickler.

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Von einer atemberaubenden Landschaft, über Bier und Knödel bis hin zu Kafka, dem Golem und einem Geist, der eine wissenschaftliche Karriere gemacht hat. Vom Fliegenden Ferdinand  und Pan Tau bis zur Lässigkeit, mit der dort ein Fabrikschornstein gefällt wird.

 

Über dieses Land, das einfach liebenswert, aber oft auch geheimnisvoll und extrem verrückt ist, gibt es wirklich genug zu erzählen. Und natürlich kann man darüber nur mit einer guten Portion böhmischen Humors schreiben.