Havels Ozeandampfer über den Dächern von Prag
In Prag gedeihen zur Zeit urbanistische Projekte verschiedenster Art, die den Bewohnern ermöglichen sollen, bislang vernachlässigte Räume gemeinschaftlich zu nutzen.
Das neueste sind die Dachterrassen über der Lucerna-Passage, also direkt am Wenzelsplatz. Irgendwann sollen hier einmal Tomaten gezogen, Firmen gegründet und sogar Nutztiere gehalten werden. Bis dahin dauert es wohl noch eine Weile.
Damit sich die Öffentlichkeit aber schon einen Eindruck machen kann, wurde nun die Fläche mit Planken versehen und begehbar gemacht – zumindest für ein paar Tage.
Die gesamte Anlage wirkt wie ein großer Ozeandampfer, der durch die Dächer Prags wie durch Wellen pflügt, auf den Hradschin zu. Oben steht man wie auf einer Brücke, während sich vor einem das Deck erstreckt. Dieser Ort ist wirklich eine der besonderen Entdeckungen in Prag. Erstaunlicherweise befindet er sich an einem so zentralen Ort, und dennoch völlig vor den Blicken verborgen.
Einer der Schöpfer dieser Anlage, Vácslav Havel, war kein anderer als der Großvater des ehemaligen tschechoslowakischen und tschechischen Präsidenten Václav Havel. Seit 1921, dem Jahr des Entstehens, haben jedoch nur ein paar Auserwählte diese Dachterrassen betreten dürfen.
Ein paar Leute wollten das ändern und haben vor fast drei Jahren mit Reparaturen und Umbauten begonnen. Insgesamt wurden 1000 m² Lärchenholz verlegt.
An vielen Stellen ist noch zu erkennen, dass es sich um ein Provisorium handelt, das lediglich einen ersten Eindruck vermitteln soll. Hier und da ist der Beton abgebröckelt, was aber – abgesehen von etwaigen Sicherheitsbedenken – durchaus seinen ästhetischen Reiz hat.
Das von New York inspirierte Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, weitere ähnliche Entwicklungen in der Stadt anzustoßen.
Dieses Thema findet auch Erwähnung in meinem Buch „111 Gründe, Tschechien zu lieben“.
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