Ein Querschnitt durch Prag den Botič entlang
Ich sitze im Café Čekárna, also im „Wartezimmer“, im herrlichen rückwärtigen Garten, am Fuße des Vyšehrad. Stufenförmige Terrassen zum Hang hin bieten gemauerte Nischen für einzelne Tische. Der Eingang befindet sich ganz unauffällig in einem grauen Gebäude, zusammen mit einem hussitischen Pfarramt. Jede Viertelstunde schlägt das Glockenwerk der Uhr. Sonst ist es sehr ruhig hier.
Ich lasse meinen zurückliegenden Weg Revue passieren: Ich bin dem Botič gefolgt – zwar nicht in ganzer Länge, sondern nur etwa von dort, wo er im Prager Stadtgebiet verläuft. Der Botič ist mit einer Länge von 21 km nach der Rokytka der zweitlängste Bach im Prager Stadtgebiet. Dieser an sich unscheinbare Wasserlauf überrascht mit sehr schönen Ecken, mit Naturerlebnis nahe der lärmenden Großstadt, er führt durch historische Ortskerne und nicht zuletzt markiert er zum Abschluss die Nordflanke des Vyšehrad, der älteren der Prager Burgen.
Den Weg entlang des Botič habe ich in zwei Etappen unterteilt, die seinen zwei verschiedenen Charakteren entsprechen: Zunächst vom Stausee durch das alte Hostivář, die „Meander“ entlang und auf einem Trampelpfad durch ein waldiges Gelände, bis der Bach im Bahnbetriebswerk Prag-Süd verschwindet, wo die Züge für den Hauptbahnhof bereitgestellt werden. Nach diesem sehr ländlich geprägten Abschnitt kommt der ausgeprägt urbane Teil: Industrieanlagen, dann engstehende Mietskasernen in Vršovice, alte und moderne Parks, die Brücke von Nusle und zum Abschluss ein paar architektonische Kostbarkeiten.
Bis auf wenige Ausnahmen kann man direkt den Bach entlang gehen. An einer Stelle wird der betonierte Weg am Ende überraschend von einem Geländer abgeschlossen, ein paar Mal kam ich nur auf benachbarten Straßen voran, und dann gibt es da natürlich das große Bahnbetriebswerk, das man am besten mit dem Bus umfährt. Beide oben genannte Etappen bilden aber auch für sich eigene abgeschlossene Touren.
Der Weg ist nicht durchgängig für Fahrradfahrer zu empfehlen, da man gerade zwischen Hostivář und Práče ein sehr waldiges Gebiet mit oft unklarem Streckenverlauf und vielen niedrigen Ästen und Baumstämmen durchquert.
Der ländliche Botič
Ich komme an der Bushaltestelle Selská an. Von der Brücke geht es hinab und unten nach eine nüchterne Straße entlang, die man sich mit den Autos teilt. Nach kurzer Zeit zweigt links der Fußweg ab, und sofort weiß ich, dass sich der Weg hierher gelohnt hat.
- beim Stausee Hostivář
- oberhalb des Botič in Hostivář
- Stausee Hostivář
- unterhalb des Stausees
Es entspricht nicht meiner Gewohnheit, gleich zu Beginn bereits eine Rast einzulegen, aber diesmal hatte ich den Weg zur Mittagsessenszeit begonnen, und so kam mir das Gartenrestaurant Pod Hrází gerade recht. Das Lokal ist gut und freundlich. Ich sitze am Tisch neben langen Blumenkübeln mit Kräutern, von denen die Kellnerin ab und ein paar Sträußchen in die Küche bringt.
Gleich darauf folgen die „Meander“ des Botič. Von denen hat sich offenbar nur eine einzige Schleife erhalten, vielleicht hat jemand die übrigen glattgezogen. Der sonnige Weg kommt schließlich hinter einer Brücke am Restaurant Selský dvůr an. Dahinter beginnt das historische Zentrum von Hostivář.
- Platz für ein Fahrrad
- Botič bei Hostivář
- Hostivář
- bei Hostivář
- Restaurant Selský Dvůr
Oft verbergen sich hinter den Namen der Prager Stadteile frühere Orte und Gutshöfe, die nun völlig abseits der heutigen Verkehrsadern liegen. Zum Glück, muss man sagen, denn das hat sie sicher vor ihrem Untergang gerettet. In Hostivář führt der Botič geradewegs durch das Zentrum hindurch. Es empfiehlt sich, den kurzen Weg vom Bach hinauf zur Kirche des Hl. Johannes des Täufers zu gehen. Dort befindet sich auch ein hölzerner Glockenturm.
- Hostivář
- Glockenturm
- Kirche des Hl. Johannes des Täufers in Hostivář
- Hostivář
- Leben in Hostivář
Weiter auf der linken Seite des Baches gelangt man nun in ein urwaldartiges Gebiet, wo man etwa 2 km einem Trampelpfad folgt, der mal oben auf dem Hang, mal unten direkt am Wasser verläuft. Dieser Weg gehört zu einem der wenigen in Prag, wo ich völlig vergesse, dass ich mich in einer Großstadt befinde, und dies über eine beträchtliche Zeit hinweg.
An dieses Gebiet im Süden angrenzend und in Gehentfernung befindet sich übrigens der Toulcův Dvůr, ein ehemaliges Gehöft, das nun als „ökologisches Zentrum“ verschiedenen Vereinen und Märkten einen Unterschlupf bietet.
- Botič hinter Hostivář
- Wegmarkierung
- drüber oder drunter?
- hinauf und hinab
- drüber, drunter oder hindurch?
- Schloss Záběhlice
- Schloss Záběhlice
Der Weg endet nahe des Schlosses Práče. Ich passiere eine frühere industrielle Mühle und eine ehemalige Brauerei. Ein Stück kann ich noch den Lauf entlang gehen, bis ich zum Schloss Záběhlice komme, wo das Wasser über ein breites Wehr strömt.
Von hier aus muss ich links oder rechts herum ein unzugängliches Stück umrunden, um dann zu einem See, dem Hamerský rybník zu gelangen. Der See selbst ist nicht weiter erwähnenswert und wirkt wie die typischen künstlichen Gewässer nahe der Plattenbauten, die der Naherholung dienen, und so finden sich auch hier Tische, Bierausschank und Kioske. Bemerkenswert ist lediglich die Kirche der Jungfrau Maria, deren romanische Substanz aus dem 12. Jahrhundert stammt.
Dem Bach weiter folgend trifft man schließlich auf die Südumgehung, einer der wichtigsten Stadtautobahnen in Prag. Wer auch den zweiten Teil erleben will, der sollte das Zwischenstück mit dem Bus überbrücken.
Der städtische Botič
Nachdem ich an der Haltestelle Michelská ausgestiegen bin, sehe ich bereits die Brücke über den Botič. Stromaufwärts ist er unzugänglich, aber hinab sieht es gleich viel besser aus. Hier kann man problemlos den Weg am Wasser entlang gehen, oder man bleibt auf der nahen Straße und verschwindet für 100 Meter hinter den Häusern.
Auf der linken Seite begegnet mir eine hussitische Kirche, deren Bauweise jedoch mehr verspricht. Unter dem Giebel sind die steinernen Platten der zehn Gebote zu sehen. Ein Hinweisschild bestätigt es: Es handelt sich um eine ehemalige Synagoge. Links des Gebäudes stehen im Garten jüdische Grabsteine, obwohl sich hier früher kein Friedhof befunden haben soll.
- Der Botič in Michle
- Die ehemalige Synagoge in Michle
- Die ehemalige Synagoge in Michle
- jüdische Grabsteine
Der Weg folgt nun weiter am Bachtrog entlang. Nach einem Industriegebiet unterquere ich die Bahnstrecke, die links zum Bahnhof Praha-Vršovice führt. Danach wechsle ich auf die rechte Seite, wo sich eine parkähnliche Allee befindet.
- Brücke über den Botič
- Brücke über den Botič
- Allee am Botič
- Ehemaliger Markt in Vršovice
- Das Stadion der Bohemians
Beim Stadion der „Bohemians“ muss ich den Botič für einige Zeit verlassen.
Es folgen Parkanlagen, unter denen vor allem die Havlíčkovy Sady unterhalb der Gröbovka hervorragen. Die Gröbovka ist die ehemalige Villa des Unternehmers Moritz Gröbe, unter der sich ein Weinberg erstreckt.
- Seniorenheim in Vršovice
- Ein offizieller Weg
- Havlíčkovy sady
- Pavillon im Weinberg
- Havlíčkovy sady, oben Gröbes Villa
- Havlíčkovy sady
- Brückennadelöhr in Nusle
- Verborgen hinter Hinterhöfen
- Ehemalige Fabrik
Von dort erreiche ich das Tal von Nusle. Berühmt geworden ist es vor allem durch die gigantische Brücke, in deren Innern die Metro fährt und die vor allem als „Selbstmörderbrücke“ einen traurigen Ruf erworben hat. Die hohen Zäune erschweren zwar nun den Sprung in der Tief, ein wenig zu denken gibt aber doch die Schutzabdeckung des Fußweges gegen herunterfallende Gegenstände.
- Nusle
- Unter der Brücke von Nusle
- Nusle: Brücke und Kongresszentrum
- Die Brücke ist dominant.
- Schutz vor herabfallenden Gegenständen
- Der Park „Folimanka“
- Mauer der Bastion
- Ein letzter Blick
Nach dem Park Folimanka unterhalb der Bastion entlang verschwindet der Botič im Untergrund und tritt erst bei der Moldau wieder hervor. Sehenswert sind in der Umgebung:
- Die Kirche Mariä Verkündigung1, die im Jahr 1360 von Karl dem IV. gegründet wurde. Auffällig ist ihre sehr schlanke, vertikale Erscheinungsform.
- An der Ecke von Přemyslova und Neklanova (gleich hinter der Unterführung) steht eines der wenigen Exemplare kubistischer Architektur in Mitteleuropa.
- Eine weitere kubistische Villa findet sich in der Libušina-Straße, also dicht am Moldauufer.
- „Mariä Verkündigung“ nahe der Haltestelle „Albertov“
- Wer sich kein Radio leisten kann …
- Kubistisches Haus in der Přemyslova
- Kubistisches Haus in der Přemyslova
- Kubistisches W-LAN: Darf man davon ausgehen, dass es sich um Sägezahnwellen handelt?
- Café Čekárna
- Kubistische Villa in der Libušina
- Kubistische Villa in der Libušina
- Na Výtoni
- Eisenbahnbrücke an der Moldau
Und hier schließlich endet der Botič: Hinter einem Geländer unter der Eisenbahnbrücke.