Dinge des Alltags: Pförtner und Pförtnerlogen

Hausmeister – ja, ich kann mich an viele Hausmeister erinnern. Aber die guten alten Pförtner (oder Concierges) sind nur noch in wenigen Ländern anzutreffen. Ich meine hier nicht den Wächter, der am Parkplatz die Schranke hebt (obwohl auch der schon Seltenheitswert hat), den bulligen Türsteher vor dem Club oder den geschmeidigen Rezeptionisten im weitläufigen Foyer eines multinationalen Konzerns.

Auch den Hauswart stellt man sich anders vor. Ein Hauswart ist ein Mensch, der kontrolliert, ob man den Müll richtig sortiert hat, und der gegebenenfalls die Mülltüte zur Nachbearbeitung an der (richtigen, wohlgemerkt!) Haustür abliefert.

In Tschechien gehört der Pförtner (vrátný oder vrátná) noch zum Alltag. Immer wenn ich das Gebäude, in dem sich mein Büro befindet, betrete, passiere ich ein breites Fenster, hinter dem entweder zurück gelehnt oder vorwärts auf den Tisch gestützt jemand sitzt und wartet. Ich weiß nicht, worauf er wartet, aber er sitzt einfach dort und beobachtet die Vorübergehenden oder einen Bildschirm. Meistens ist es ein Mann, seltener mal eine Frau.

Pförtnerloge in Prag

Wir grüßen uns, und dann noch einmal wenn ich später das Haus verlasse. Es ist wie ein Ritual, ohne das meine Ankunft oder mein Fortgehen unvollständig wäre. Ja, wenn die Pförtnerloge einmal unbesetzt ist, dann verlangsame ich unwillkürlich den Schritt. Irgendetwas fehlt heute.

Beim tschechischen Pförtner handelt es sich zumeist um eine etwas phlegmatische Person männlichen oder weiblichen Geschlechts und fortgeschrittenen Alters. Hier finden sich allerhand skurrile Typen, die, wenn sie nicht hinter dem Fensterchen zu sehen wären, irgendwo in den Ritzen der Großstadtgesellschaft verschwinden würden. Manchmal stehen sie vor ihrer Loge und tratschen mit Bekannten. An Wochenenden schließen sie die Tür auf und machen sich eine Notiz, wenn mal jemand außerplanmäßig zur Arbeit muss.

In der Pförtnerloge befinden sich oft Schaltkästen, mit denen sich wohl der Strom im ganzen Gebäude abdrehen ließe, Haustelefon, Schlüssel und Verbandskästen. Die meisten Pförtner sehen jedoch so aus, dass ich mir den Verband doch lieber selbst anlegen würde, wenn ich eine Verletzung hätte.

Pförtnerloge im Finanzamt

Oft sind die Trennscheiben dicht mit Bekanntmachungen und Vorschriften gepflastert. Woanders wirken die Räume nüchtern und ehrwürdig, so als sei ihre bloße Präsenz bereits genug, um den korrekten Lauf des öffentlichen Lebens zu gewährleisten.

In den Gebäuden des Sokol bekommt man hier die Schlüssel für die Umkleiden und manchmal einen Kaffee (gegen eine geringe Bezahlung), in Unis und Behörden erfährt man beim Pförtner die Zimmernummern. Zumeist kann er auch helfen, wenn man ein Haus in der Umgebung sucht. Vor allem dann, wenn auch dort ein Pförtner sitzt.

Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn alle Prager Pförtner einer großen Pförtnerfamilie entstammen, die schon seit Generationen die Pförtner dieser Stadt stellt. Es ist also dringend empfohlen, sich mit jedem von ihnen gut zu stellen. Sonst hat man alle gegen sich.

Dies ist ein Beitrag aus der Serie Dinge des Alltags. Worum es dabei geht, ist hier zu lesen.

Christoph Amthor

Erster länger Aufenthalt in Tschechien im Jahr 1997. Seit 2003 wohnhaft zumeist in Prag, mit Abstecher in die Slowakei. Ehemals Journalist und Mitbegründer einer gemeinnützigen Organisation, heute Blogger und Software-Entwickler.

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Von einer atemberaubenden Landschaft, über Bier und Knödel bis hin zu Kafka, dem Golem und einem Geist, der eine wissenschaftliche Karriere gemacht hat. Vom Fliegenden Ferdinand  und Pan Tau bis zur Lässigkeit, mit der dort ein Fabrikschornstein gefällt wird.

 

Über dieses Land, das einfach liebenswert, aber oft auch geheimnisvoll und extrem verrückt ist, gibt es wirklich genug zu erzählen. Und natürlich kann man darüber nur mit einer guten Portion böhmischen Humors schreiben.