Budweis (České Budějovice) – ein Besuch in Böhmens Süden
Diese Stadt kann ich jederzeit besuchen, denke ich mir. Und so vergeht die Zeit, bis ich schließlich feststelle, dass ich schon rund zehn oder fünfzehn Jahre nicht mehr dort gewesen bin, gerade weil es so einfach ist, dort hinzufahren.
So erging es mir mit Budweis, oder České Budějovice. Der tschechische Name erfordert ein paar knifflige Handgriffe auf der Tastatur, ähnlich wie wenn man ein Passwort eintippt, weshalb ich doch lieber bei der deutschen Variante bleibe.
Budweis ist eine bezaubernde Stadt in Südböhmen, Hauptstadt dieser Region und bekannt als Namensgeber des Bieres, das im Ausland beliebter zu sein scheint als in Tschechien.1 Mir diente es für ein verlängertes Wochenende als Basis für ein paar Erkundungen in der Umgebung.
Das vielleicht bekannteste Ziel meiner Ausflüge war das nahe Krumau (Český Krumlov). Allerdings bin ich bereits von den Touristenmassen und in der Prager Innenstadt hinreichend übersättigt, um nicht mitten im Trubel übernachten zu müssen. Also buchte ich mir ein Zimmer ein Stück weit entfernt in Budweis, genauer gesagt in der „Hinteren Mühle“ wie die Pension übersetzt heißt. Das war eine sehr gute Wahl und ich genoss es, durch das offene Fenster immerzu das Rauschen des Wasser hören zu können. Für den Abreisetag war noch ein Abstecher zum Schloss Hluboká (Frauenberg) vorgesehen. Ich bewegte mich also immer an der Moldau entlang.
Auf gewundenen Pfaden
Die Wettervorhersage hatte zunächst Regenschauer angekündigt, schließlich wurden daraus aber nur ein paar Wölkchen, die am letzten Tag sogar sehr willkommen waren. Angereist bin ich mit der Bahn, einem Express, der zunächst recht zügig aus Prag hinaus fuhr, um dann zunehmend auf gewundenen Schleifen durch die bezaubernde Landschaft zu kurven.
Nach rund zwei Stunden war ich angekommen. Der Budweiser Bahnhof wirkte zwar außen etwas renovierungsbedürftig, aber nicht etwa schmuddelig.
Budweis besteht im Kern aus einer malerischen Altstadt, die vor allem durch die vielen Laubengänge auffällt, die es zwar in jeder tschechischen Altstadt gibt, zumeist aber doch nur rund um den Marktplatz. Hier nun kann man auch bei Regen weite Strecken gehen, ohne nass zu werden. Nach kurzer Zeit hatte ich bereits das Gefühl, alle Gassen schon einmal gesehen zu haben. Allerdings ist die Fülle an Gastronomie so groß, dass ich allein schon für die vielen Cafés und Wirtshäuser ein oder zwei Wochen bräuchte, um alles auszuprobieren. Das Budweiser Bier2 ist natürlich allgegenwärtig, hat aber keinesfalls ein Monopol. So bietet zum Beispiel die Solnice gleich mehrere eigene Biere an.
Erfreulicherweise beginnt jenseits der Altstadt nicht gleich ein Industriegürtel oder ein heruntergekommenes Wohnviertel, wie es bei manchen anderen Orten der Fall ist. Rundum liegen Gewässer und dahinter zum Teil Parks oder Straßenzüge, die wohl aus der ersten Republik stammen mochten. Alles war gut in Schuss und zeigte, dass die Bewohner hier gerne leben und sich mit der Stadt identifizieren.
Abends vor dem Wochenende waren die Uferpromenaden voller Softeis essender Familien und Flaneure, in den Parks wurde Bier verkauft und die Menge an jungen Leuten auf den Grasflächen erinnerte an Musikfestivals.

Überschaubare Altstadt
Sehenswert ist der zentrale Marktplatz, in dessen Mitte sich der Samsonbrunnen befindet, und in dessen Nähe ein Stein, an dem früher der Galgen gestanden haben soll. Wer diesen Stein nach 22 Uhr überschreite, ohne es zu bemerken, der solle bis zum Morgen nicht mehr nach Hause finden, heißt es. Diese Vorhersage halte ich angesichts der vielen Kneipen für nicht sehr gewagt. Vermutlich trifft sie auf die Hälfte aller Passanten zu, die nach zehn Uhr noch in der Stadt unterwegs sind.
Ebenso lohnt es sich, den Schwarzen Turm zu erklimmen. Die 225 Stufen führen kreuz und quer durch das Gebälk und an den Glocken vorbei. Das Eintrittsgeld wird erst oben kassiert. Vermutlich kehrt dann auch niemand mehr um, aber es wird ohnehin unten bereits angekündigt.
Der Ausblick gerade auf den Marktplatz ist etwas Besonderes.
Für Bahnliebhaber gibt es als Kuriosum das Pferdeeisenbahn-Museum, in Gehentfernung südlich der Altstadt (nicht weit vom Wasserturm, der weithin sichtbar ist). Hier führte doch tatsächlich eine der ersten Eisenbahnlinien auf dem kontinentalen Europa entlang, und zwar nach Linz. in Budweis wird sie als die älteste angepriesen, wobei nach anderen Informationen die Franzosen um ein paar Tage früher waren. Aber vielleicht waren die Budweiser zumindest die ersten, die behauptet haben, sie seien die ersten gewesen. Das ist ja auch was wert.
Das kleine Museum ist in einem früheren Wohnhaus der Wärter untergebracht und beschreibt vor allem ihren Tagesablauf und den Verlauf der Strecke. Es ist nett gemacht, und alle Informationen, einschließlich eines wandfüllenden Videos, sind auch auf Deutsch verfügbar. Mich persönlich hätten allerdings mehr die technischen Details interessiert, also wie etwa die Schienen im Profil aussahen oder wie schnell so ein „Zug“ unterwegs sein konnte, ohne zu entgleisen.3
Sehenswert sind auch der gotische Kreuzgang und die Kirche des ehemaligen Dominikanerklosters mit ihren Wandmalereien. Die große Kirche bietet eine wohltuend ruhige Atmosphäre, und ich war die gesamte Zeit darin alleine. Nach kurzer Zeit kam nur einmal die Angestellte vom Eingang, um mich auf das größte Fresko des Landes (Hl. Christophorus) und eine Madonna aufmerksam zu machen.
Direkt am Vorplatz des Klosters befinden sich die schon erwähnte Solnice (im früheren Salzhaus) und weitere Cafés und Restaurants, wo man lange Zeit sitzen kann, während jeden Abend, wenn es später wurde, von den Freisitzen einer nahen Kneipe her Gesang herüber drang. Daneben lohnt sich auch der Besuch im früheren Fleischmarkt, den Masné krámy, wo man an Tischen in Nischen sitzt. Abends sollte man hier reservieren – der Laden ist offensichtlich kein Geheimtipp mehr, gerade bei deutschsprachigen Gästen.
Durchweg überall waren die Leute sehr freundlich und überhaupt nicht von Massentourismus gezeichnet. Es bestätigt sich immer wieder, dass ein Besuch allein in Prag kein repräsentatives Bild von der tschechischen Bevölkerung zulässt. Auch die Formalitäten in der Pension und später beim Fahrradverleih waren erfrischend unkompliziert – da ging man einfach davon aus, dass alles in Ordnung ist.
Budweis lohnt sich nicht nur als Basis zur Erkundung Südböhmens, sondern ist auch selbst schon einen Aufenthalt wert.
Der zweite Teil wird sich mit dem Besuch in Krumau befassen.