Bratislava (Pressburg): Ein Wiedersehen
Wenn Tschechien neben Deutschland oft wie ein kleiner Bruder wirkt, so ist die Slowakei wohl die kleine Schwester des kleinen Bruders. Dieses Detail macht viel aus, denn die Kleinsten belastet weniger die unerfüllbare Erwartung, sich mit den Größten messen zu können.
In der Slowakei macht man Dinge nicht anders, damit sie anders sind. In der Slowakei zahlt man einfach mit Euro. Das ist dort so selbstverständlich wie in Belgien oder Italien. Man lebt im Schatten, und dort gedeiht doch mehr, als man vielleicht gedacht hätte.
Ich habe mir einen Abstecher nach Bratislava, zu Deutsch „Pressburg“, erlaubt. Als ehemaliger Bewohner der Stadt sehe ich vor allem den Kontrast zu früher, vor über zehn Jahren. Die Stadt ist an vielen Orten ganz wörtlich nicht wiederzuerkennen. Östlich des Zentrums werden neue Bürohäuser hochgezogen. Das gastronomische Angebot ist sehr viel vielfältiger geworden. Die Betriebe sind modern, reichhaltig und freundlich.
Ich erinnere mich noch, als es ein Stück vom Bahnhof entfernt ein chinesisches Restaurant gab – die einzige Option, wenn wir vernünftig asiatisch essen gehen wollten. Ein für slowakische Verhältnisse teurer Supermarkt am Präsidentenpalast hatte so etwas Ähnliches wie Auswahl geboten. Die amerikanische Botschaft dominierte damals mit ihren Absperreinrichtungen den ganzen Hviezdoslavovo námestie, während sie heute visuell sehr viel moderater wirkt. Als Fußgänger hatte man außerhalb der Fußgängerzone kaum irgendwelche Rechte. Und slowakische Radfahrer waren noch nicht erfunden.
Inzwischen gibt es eine Brücke allein für Fußgänger, Radfahrer und Straßenbahnen. An vielen Orten kann man draußen sitzen, unter Bäumen, auf den Fensterbänken. Ein Café hat sich auf heiße Schokolade spezialisiert, ein anderes serviert den ganzen Tag über Frühstück. Die Wahl besteht nicht mehr bloß zwischen schnörkeligem Kaffehauselan für k.u.k.-Nostalgiker und Plastiksitzen im kommunistischen Innendesign, mit brummenden Leuchtstoffröhren und hängenden Verblendungen in knalligen Farben.
Touristengruppen sind, meine ich, auch jünger geworden. Man kommt nicht mehr, weil hier deftig und billig gekocht wird. Bratislava ist kein Reiseziel mehr, dessen vermeintliche Rückständigkeit einen Teil des Reizes ausmacht.
Einige Plätze und Gassen bieten in der herbstlichen Sonne so etwas wie italienisches Flair. Touristen und Einheimische sind oft nicht mehr zu unterscheiden und benutzen die gleichen Cafés und Lokale. Ein gutes Zeichen.
Ich erinnere mich noch an die Busse mit den rostdurchlöcherten Türen, wo oben neben den Haltewunschknöpfen geschrieben stand, dass der Fahrer sehr wohl wisse, wo die Haltestelle sei, und dass man deshalb nicht zu drücken brauche. Jetzt ist alles anders, neu. Die Straßenbahnen surren sanft über die Gleise und der Vorortszug wartet mit Steckdosen und W-LAN auf.
Unbewusst erwarte ich am Bahnschalter, barsch abgefertigt zu werden, aber die ältere Dame dort ist sehr zuvorkommend, und meine sprachliche Unbeholfenheit stört niemanden mehr.
Während der Bahnhof seine ganz eigene Schmuddelzone hatte, durch die man als Reisender hindurch stoßen musste, findet sich nun, ein paar Schritte eine Treppe hinunter, ein völlig überraschendes Restaurant: modern, vorzüglich und – wie überall, wo ich war – mit sehr aufmerksamem Service.

Donau mit Burg und „SNP-Brücke“ (benannt nach dem Nationalaufstand), auf der sich eine „UFO-Bar“ befindet.
So wie Prag seine Magistrale hat, die Stadtautobahn, die symbolträchtig das Nationalmuseum in die Zange nimmt, so fährt in Bratislava immer noch die verkehrsreiche Staromestská-Straße zwischen Zentrum und Burg hindurch. Viel mehr Parallelen kann ich jedoch nicht finden. Allein schon, dass der Präsident nicht oben auf dem Gipfel residiert, sondern unten, zwischen den Bürgern.
Hier gibt es keine Straßenläden mit russischen Fellmützen und rastlos umherrollendem Plastikspielzeug, Allegorien der Sinnlosigkeit. Es gibt keinen atemberaubenden Jugendstil, keine Weltrekorde, und die Plätze zieren Namen und Statuen von Persönlichkeiten, deren Berühmtheit nicht über die Landesgrenzen hinaus reicht.
Bescheidenheit bietet sich an, aber sie bringt einen vielleicht auch weiter. Prag war immer das unangefochtene Zentrum der Tschechoslowakei, und zu Zeiten des Eisernen Vorhangs der Nabel dieser kleinen, heilen Welt.
- Im östlichen Zentrum wird rege gebaut.
- Nationalbank mit Rundfunk.
- Die „umgedrehte Pyramide“: Rundfunkgebäude aus Ostblockzeiten.
- Cafés und Bistros sprießen.
- Lebensmittel „Prešpurk“: So muss sich wohl „Pressburg“ für Slowaken anhören.
- Wie viele Sprachen bringt man in einem Schriftzug unter?
- Gitter am Park „Medická záhrada“
- In Bratislava scheint es noch viele kleine und mittelgroße Buchhandlungen zu geben.
- Stefanskirche
- „RENOVATE ME!“
- Das Alte Rathaus
- Innenstadt
- Burg
- Die Burg wirkt aus der Nähe sehr massiv.
- Hinter der Burg befindet sich ein Barockgarten.
- Unter der Burg kann man 80m in einen Brunnen blicken, der auf Donauniveau hinab reicht.
- Parlamentsgebäude (Nationalrat)
Bratislava ist für die Slowakei etwa so stellvertretend wie Prag für Tschechien. Wer Zeit hat, sollte sich einmal die zweite Liga der slowakischen Städte ansehen.
Ich bin oft erstaunt, wie wenig man im deutschsprachigen Raum über das tschechische und slowakische Hinterland weiß, und wie unfehlbar man zu wissen glaubt, wie es dort aussehen und zugehen muss. Da kann ich mich selbst oft nicht ausnehmen: Viele Gegenden überraschen mich, auch wenn ich vor zehn Jahren schon einmal dort gewesen bin. Diesmal die Metropole Bratislava.
Zur Einstimmung eine Fahrt in der „Električka“ quer durch das Zentrum zum Hauptbahnhof (Hlavná stanica). Ohne Ton, wohl damit man das übliche Fluchen des Fahrers nicht hört: